<p class="ql-block">Sie sieht aus wie eine gerade blühende Birnenblüte, als ich im Gate 226 für unseren Flug nach Beijing angekommen bin. Sie ist Mary, Freundin von Christian. Ich habe die Reisegruppe mit drei?ig Personen in Shanghai in Empfang genommen und durch China geführt. Nach zwei Wochen sollte die Gruppe von Zhengzhou aus via Beijing nach Deutschland heimkehren. Aber wer kann es rechnen, da? Herr Christian Bachmann wegen der falschen Reisepassnummer in dem Komputer von Air China nicht mit fliegen darf. Die Gruppe ist bei drei Schaltern am Flughafen verteilt. Ich laufe hin und her. Als ich den Fu? hebe und zu einem anderen Schalter laufe, hat das Personal mich gerufen: "Herr Reiseleiter, seine Reisepassnummer ist in den Komputer falsch eingegeben. Christian Bachmann darf nicht mit fliegen." Die Stimme des Personals ist leise und autoritativ, es wirkt mir wie ein Blitz im heiteren Himmel. Mary nimmt den Pass von Christian und ich mache ein Foto für meinen Reiseveranstalter. Kann es sich ver?ndern? Die Hauptgruppe ist zur Sicherheitskontrolle gegangenen. Mary geht mit am Ende und schaut bei jedem Schritt auf Christian und mich zurück zu. Die Tr?nen sind voll in ihren Augen, denke ich.</p> <p class="ql-block">Auf dem Kühlschrank klebt der einzige Magnet in meiner winzigen Wohnung von Beijing. Heute habe ich chinesische Teigtaschen zubereitet. Der Kühlschrankmagnet verlockt immer meine AufmerksamkeitAufmerksamkeit auf sich. Auf dem Magnet sind die vier Hauptaktrantionen Deutschlands: K?lner Dom, Brandenburger Tor, Füssener Neuschwanstein und Frankefurter Wolkenkratzer. Der Magnet ist ein Geschenk von Christian. Wei? er, da? ich nicht einmal in Deutschland gewesen bin? Christian pflegt langen Bart, was heututge bei den jungen Leuten selten ist. Im Bus bleibt er hinter mir und reagiert auf meine Führung sehr aktiv. Mamahuhu-Solala ist sein Lieblingswort. Jeden Tag als ich die Gruppe im Bus begrü?e, sagt Christian immer laut: Mamahuhu. "Ein deutscher Influenza lebt in Shenzhen. Er hat auf TikTok viele Videos gemacht und meint, wenn man die Chinesen zum Lachen bringen will, sagt man Mmahuhu." So erkl?rt Christian. "Shanghai habe ich mit Mary auf eigene Faust kennen gelernt. Wir haben viel zu viel gesehen. Deswegen wollen wir auch in Beijing die Tour mit der verbotenen Stadt u.a. individuell buchen. Es bietet sich viek mehr an. Wir wollen Land und Leute kennen lernen. Natürlich wollen wir mehr bezahlen als die Hauptgruppe. In Shanghai haben wir einundvierzig tausend Schritte getan und sehr viel erlebt."</p> <p class="ql-block">"Schon gut, Wang, alles gut." Um Mary steht die Gruppe und tr?stet sie. Mary er?rtert sich. Eine dicke Tr?ne l?uft ihr über die Wange. Sie wischt sie ab und l?chelt mir zu. Ich kann nur meine Z?hne zusammenbei?en. Ihr Schluchzen hat mich vom tiefsten Herzen berührt. "Ja, ich wei?. Wang ist auch da. Ja, ich wei?." Mary spricht auf ihr Handy. Mary ist in 1989 geboren und Christian ist ein Jahr ?lter als sie. Die beiden sind die jüngsten Reiseteilnehmer in unserer Gruppe. "Christian, es tut mir so leid. Du musst im Hotel übernachten. Dein Flug muss umgebucht werden. Jetzt schl?ft Deutchland aber noch. Ich mache ein Foto von uns beiden und schicke es an das Reisebüro. Ein Kollege wird dich abholen zum Hotel. Bleib hier gut sitzen. Ich muss dich leider verlassen und zur Sicherheitskontrolle gehen. Ich erz?hle Mary die Geschichte." Christian legt seine Hand auf sein Gep?ck und guckt in die Ferne. Es seufzt leicht: "Naja, was kann ich tun? Ich verstehe. Das ist Schicksal. Wang, gehen Sie zu der Gruppe. Ich warte hier. Aber eins kann ich ganz und gar nicht ergreifen, warum meine Passnummer auf dem Komputer total anders als meine echte Passnummer ist. Wo liegt eigentlich das Problem? Mary hat die drei Reisepassnummern verglichen und findet keine ?hnlichkeit. Das verstehe ich nicht. Und vor allem bin ich von zu Hause von Deutschland aus nach China eingereist unter der komischen Passnummer. Gucken Sie hier Wang, auf meinem Reisepass steht der Einreisestempel. Ich verstehe es nicht." Ich starre Christian und mir scheint, das sein langer Bart wegen Ratlosigkeit zittert. "Christian, das Geschehen kann man nicht immer verstehen. Geschehen ist geschehen. Es tut mir leid. Ich muss zum Gate weggehen. Es wird gleich geclosed."</p> <p class="ql-block">"Hallo, Herr Wang, meine Gruppe ist unterwegs an Bord bis auf einen alten Herrn. Er hat einen falschen Namen. Er muss heute im Hotel am Flughafen übernachten." Als ich meinen Gürtel angeschnallt habe im Flieger, hat mir die Kollegin vor Ort auf Wechat gepostet. "Herr Wang, k?nnen Sie meiner Gruppe in Beijing behilflich sein, wenn sie irgendwie Probleme hat? Alle fliegen via Beijing nach München. Ich hoffe, alles wird gut. Ich muss dem Opa die Gesellschaft bis morgen leisten." Bis zum Erfolg fehlt nur ein Schrittchen. Als ich in Beijing gelandet bin, hat sie mir noch mal geschrieben: Die Fluggesellschaft hat die Daten der beiden Kunden verwechselt. Also Christian hat die Reisepassnummer des Opas und der Opa hei? Christian Bachmann. Egal wer für den Fehler Verantwortung tr?gt, haben die zwei G?ste einen Tag verloren. Den Flug und die Hotelübernachtung kann bezahlt werden, aber wer kann die verlorene Zeit bezahlen?</p> <p class="ql-block">"Wang, ich habe eine Bitte an Sie." Schon nach dem ersten Mittagessen auf dem Schiff auf der Yangtze Kreuzfahrt hat Mary mich angesprochen. Ich halte einen Teller im Restaurant und Mary steht mir gegenüber, mit L?cheln auf ihrem vollem Gesicht. Ich bin sehr unruhig. Was für eine Bitte an mich? Hatt sie auf dem Schiff Problem? Mein Kopf dreht sich schnell um, aber ohne L?sung. Egal was nun passieren kann, muss ich mich aufraffen. "Na, Mary, wie geht's euch? Womit kann ich dir helfen?" "Uns geht's gut, statt Mamahuhu." Mary führt mich zum Tisch mit verschiedenen Sorten von Gemüsesalat, "K?nnen Sie dem Schiff sagen, Wang, sie haben das vegetarische Essen so gut, so hervorragend zubereitet. Mit Liebe und Zueigung. Es schmeckt Christian und mir sehr sehr gut. Vielen vielen herzlichen Dank!" In diesem Moment ist mir ein gro?er Stein vom Herzen gefallen. "Sollte ich dem Schiff sagen, da? sie für euch extra was zum Essen organisieren? Ihr seid ja doch vegetarisch." Mary schüttelt den Kopf sofort und verneint. In der Gruppe sind Mary und Christian vegetarisch. "Wang, danke für Ihre Mühe. So ist es schon gut für uns. Das Essen auf der Reise bis jetzt hat uns sehr lecker geschmeckt. Vielen Dank!" Mary nimmt einen Teller und geht auf den Tisch mit Sala zu, zeigt mir den Rücken.</p> <p class="ql-block">Sch?ne Zeit vergeht schnell. Zwei Wochen sind um. Die Gruppe ist harmonisch und freundlich, was mir als Reiseleiter ganz toll gefallen. Vor allem ist diese Reise meine erste durchgehende Rundreiseführung. Ich war sehr unsicher und hab mir gro?e Mühe gegeben. Am letzten Abend beim Abschied in der Hotellobby habe ich auch meine Dankbarkeit bei der Gruppe zum Ausdruck gebracht. Christian hat mir ein laminiertes Gruppenfoto, das die Gruppe auf dem Sonnendeck auf dem Schiff machen l?sst, ausgeh?ndigt. Auf der Rückseite des Fotos sind die Witmungen der ganzen Gruppe. "Wir haben leider keinen Rahmen gefunden, nur laminiert. Das k?nnen Sie selber machen. Vielen herzlichen Dank für unseren besten Reiseleiter. Es ist uns ein Verkgügen, Sie als Reiseleiter haben zu dürfen. Morgen fliegen wir alle nach Deutschland. Sie k?nnen sich auch zu Hause ausruhen." "Wang," Mary steht dabei, "ich schlie?e mich ein. Wir haben auf der Reise mehrere Reiseleiter gehabt, egal ob den dreistündigen, oder halbt?tigen, oder gar ganzt?gigen, Sie sind immer der beste. Wang, wir wollen uns extra bei Ihnen bedanken. Morgen wird es hektisch."</p> <p class="ql-block">Am n?chsten Tag haben wir alle nicht gedacht, da? der Flug von Christian schief gelaufen ist. "Mary, zeig Wang meinen alten Reisepass." Mary, Christian und ich stehen abseits von der Gruppe. Ich fotografiere alle drei Passnummern und habe die an mein Reisebüro gepostet. In der Hoffnung verbleibe ich, da? es noch zu retten ist. Aber die Tatsache hat unseren Wunsch zerrissen. Ich wei?, ich kann weder Mary noch Christian tr?sten. Ich sage nur noch einmal: "Es tut mir leid." Die Verwechslung mit den privaten Daten von Christian in meiner Gruppe und dem Opa in der Gruppe von meiner Kollegin ist so gering wie bei der Lotterie. Sie beiden haben die Lotterie gewonnen, aber einen Tag mit ihrem Flug verloren. "Schon gut, Wang. Alles wird gut." Mary putzt ihre Tr?nen und spricht mit mir. Ihre Stimme klingt wie gro?e und kleine Perlen auf die Jadeplatte. Die Gruppe steht in der Schlange vor dem Gate 226 und geht langsam aber zügellos ins Flugzeug vorw?rts.</p>